Bahn-Experiment krachend gescheitert Jetzt steige ich wieder aufs Auto um
Verfasst: Sa 25. Mai 2024, 12:02
Unser Autor ist fürs Klima auf die Bahn umgestiegen und erlebte so
viele Katastrophen, dass er wieder Auto fährt. Ein Beispiel dafür, was
in diesem Land schiefläuft.
Ich habe es wirklich versucht und ich meinte es ernst: Meinen alten Diesel
stehen lassen und auf die Bahn und den öffentlichen Nahverkehr
umsteigen. Zumindest so oft es geht. Mit einer Bahncard 100, die dem
Besitzer ja erlaubt, in quasi alles einzusteigen, was in Deutschland
öffentlich fährt. Meine Klimabilanz sollte besser werden, zumindest beim
Reisen.
Ich nehme es gleich vorweg: Ich bin krachend gescheitert. Ich wusste, dass
es schlimm um die Deutsche Bahn steht. Ich wusste auch, dass die
Nahverkehrs-Taktung im Ruhrgebiet ein Witz ist, für eine MillionenMetropole. Aber ich ahnte wirklich nicht, wie schlimm es ist.
Ich bin ein Pendler. Meist von Bochum nach Dortmund, sehr häufig aber
auch aus dem Ruhrgebiet in Richtung Norden und Osten – und zurück.
Vor
ziemlich genau einem Jahr begann ich mit dem Bahn-Pendeln. Mit der
Bahncard 100 für viereinhalbtausend Euro. In der zweiten Klasse. Die
Bilanz in aller Kürze: Es gab fast keine längere Fahrt, die ohne kleinere
oder größere Katastrophen auskam. Am schlimmsten ist es, wenn man
umsteigen muss. Vergessen sie es! Sie werden den Anschluss nicht kriegen.
Und dann hängen Sie in Hannover oder Bremen, immerhin zwei Bahnhöfe
mit guter Infrastruktur. Irgendwann kennt man den besten Kaffeehändler,
der einem von weitem schon verschmitzt (oder mitleidig?) zulächelt, wenn
man ihn frequentiert.
Unglaublich, wie viele Züge einfach ausfallen
Züge um 6 Uhr morgens in Oldenburg, um 16 Uhr nachmittags in
Karlsruhe, um 20 Uhr nochwas in Berlin, die einfach ausfallen. Besonders
perfide: Ausgefallene Züge werden in der Verspätungsstatistik der
Deutschen Bahn nicht berücksichtigt. Was nicht da ist, kann auch nicht
verspätet sein, klar. Von den nicht ausgefallenen Zügen kommt jeder Dritte
zu spät. Man ist geneigt zu fragen: Wirklich nur jeder Dritte?
Jeder Dortmunder zum Beispiel kennt die große Anzeigetafel in der
Vorhalle des Hauptbahnhofs, auf der schon ab vormittags quasi alle
Fernzüge, die aus Richtung Westen kommen, also das Nadelöhr Ruhrgebiet
durchfahren müssen, verspätet angezeigt werden. Eine klassische Tafel liest
sich dann so: 20 Minuten Verspätung, 40 Minuten Verspätung, fällt aus, 25
Minuten Verspätung, fällt aus, 15 Minuten Verspätung.
Nun klingen 20 Minuten Verspätung vielleicht nicht so schlimm und man
könnte entgegnen, naja, 20 Minuten verlierst du auch mit dem Auto im
Stau. Mag sein, nur kann man mögliche Umstiege damit vergessen. Genau,
das muss es sein: Die wenigen pünktlichen Züge sind leider immer die, die
man dann am Anschlussort kriegen muss – und verpasst. Sie finden das
übertrieben? Dann fragen Sie bitten jeden Bahnreisenden. Jeden.
Live dabei sein, wenn ohne Not Verspätung generiert wird
Man steht also morgens um kurz vor 6 in Oldenburg am Hauptbahnhof,
will nach Bremen fahren, um dort den Zug nach Dortmund zu nehmen.
Auf der Anzeigentafel steht: Zug entfällt. In der Bahn-App wird der Zug
natürlich als pünktlich angegeben, bis er dann kurz vor sechs plötzlich
ebenfalls entfällt, so dass man keine Chance hatte, rechtzeitig umzuplanen.
Man fragt sich dann, ob der Zug sich spontan in Luft aufgelöst hat, wenn
bis vor einer Minute offenbar niemand von der Bahn ahnte, dass es ihn
nicht geben wird. Naja, Alternative ist, mit einer Bimmelbahn, die an jeder
Milchkanne hält, nach Osnabrück zu fahren, um dort den Zug nach
Dortmund abzufangen. Die Bimmelbahn startet pünktlich. Na also. Denkt
man.
Dann merkt man, die Strecke nach Osnabrück ist eingleisig, der
Gegenverkehr muss also durchgelassen werden, indem man in Bahnhöfen
steht und wartet. Und wartet. Immer und immer wieder. So generiert man
auf der Strecke nach Osnabrück ohne Not oder höhere Gewalt 50 Minuten
Verspätung, verpasst den Anschluss nach Dortmund und freut sich auch
dort über den bereits bekannten, mitleidigen Kaffee-Dealer. Die ersten
Termine des Tages macht man dann aus der Bahn, die zwar damit wirbt,
total tolles WLAN zu haben – nur leider funktioniert dieses kaum und
abgehackt und wackelig und dann wieder gar nicht.
So oder so ähnlich ist es immer, immer wieder. Die Tage, an denen ich
pünktlich irgendwo ankam, kann ich nach einem Jahr an einer Hand
abzählen. Ich habe dann immer misstrauisch nach der versteckten Kamera
gesucht. Wir sind pünktlich? Die wollen mich doch, na egal.
Das Personal ist überfordert – und kann ja meist auch nichts für die
Situation
Ich habe genervtes Personal getroffen, dass sich bei den Fahrgästen
auskotzt über den Arbeitgeber. Ich habe erlebt, wie eine Familie mit zwei
Kleinkindern auf dem Boden sitzen musste, weil der Zug überfüllt war. Sie
hatten für viel Geld Plätze reserviert, ihr Zug fiel aus, sie mussten lange
warten und dann diesen hier nehmen und da galt ihre Reservierung nicht.
Sie saßen im Gang, andere Fahrgäste hievten ihre schweren Koffer über die
Kleinkinder drüber. Ich habe den Schaffner gefragt, ob man die Familie
nicht in die 1. Klasse versetzen könne. Nein, könne man nicht. Ich habe
auch sehr, sehr nettes Personal getroffen, das ja auch wirklich nichts für die
Umstände kann. Ich saß bei sechsstündigen Zugfahrten (vier waren
geplant) im durchgehend geschlossenen Bordbistro. Hungrig und durstig,
aber es gab nichts; kein Personal.
Ich bin in Karlsruhe gestrandet wegen Schneewetters. Sollte mir ein Hotel
nehmen, sagte der Schaffner, heute ginge nichts mehr. Stunden später war
der Schnee weg, ein Zug sollte gen Dortmund fahren. Aufgeregt checkte ich
aus dem riechenden Bahnhofshotel wieder aus und rannte zum Zug. Setzte
mich rein. Und wartete. Nach 20 Minuten die Ansage: „Ähem, wir merken
gerade, die Crew ist gar nicht in Karlsruhe angekommen, wir können doch
nicht weiterfahren.“ Ich schlich zurück in mein riechendes Hotel und bat
darum, doch wieder einchecken zu dürfen.
Drastische Beispiele, von denen es noch so viele mehr gibt. Dabei wollte ich
doch einfach nur ankommen. So ankommen, dass ich meinem Job und
meinem Leben halbwegs gerecht werden konnte. Hat nicht geklappt.
Jahre wird der noch machen, das hoffe ich. Und auch, dass die Bahn bis
dahin in Schienen, Gerät, Personal und realistische Planung investiert hat.
Vielleicht sogar in WLAN? Dann komme ich gerne zurück. Vorher geht es
einfach nicht. Es geht nicht.
Wirklich nicht. Jetzt steige ich zurück in meinen alten Diesel. Ein paar
viele Katastrophen, dass er wieder Auto fährt. Ein Beispiel dafür, was
in diesem Land schiefläuft.
Ich habe es wirklich versucht und ich meinte es ernst: Meinen alten Diesel
stehen lassen und auf die Bahn und den öffentlichen Nahverkehr
umsteigen. Zumindest so oft es geht. Mit einer Bahncard 100, die dem
Besitzer ja erlaubt, in quasi alles einzusteigen, was in Deutschland
öffentlich fährt. Meine Klimabilanz sollte besser werden, zumindest beim
Reisen.
Ich nehme es gleich vorweg: Ich bin krachend gescheitert. Ich wusste, dass
es schlimm um die Deutsche Bahn steht. Ich wusste auch, dass die
Nahverkehrs-Taktung im Ruhrgebiet ein Witz ist, für eine MillionenMetropole. Aber ich ahnte wirklich nicht, wie schlimm es ist.
Ich bin ein Pendler. Meist von Bochum nach Dortmund, sehr häufig aber
auch aus dem Ruhrgebiet in Richtung Norden und Osten – und zurück.
Vor
ziemlich genau einem Jahr begann ich mit dem Bahn-Pendeln. Mit der
Bahncard 100 für viereinhalbtausend Euro. In der zweiten Klasse. Die
Bilanz in aller Kürze: Es gab fast keine längere Fahrt, die ohne kleinere
oder größere Katastrophen auskam. Am schlimmsten ist es, wenn man
umsteigen muss. Vergessen sie es! Sie werden den Anschluss nicht kriegen.
Und dann hängen Sie in Hannover oder Bremen, immerhin zwei Bahnhöfe
mit guter Infrastruktur. Irgendwann kennt man den besten Kaffeehändler,
der einem von weitem schon verschmitzt (oder mitleidig?) zulächelt, wenn
man ihn frequentiert.
Unglaublich, wie viele Züge einfach ausfallen
Züge um 6 Uhr morgens in Oldenburg, um 16 Uhr nachmittags in
Karlsruhe, um 20 Uhr nochwas in Berlin, die einfach ausfallen. Besonders
perfide: Ausgefallene Züge werden in der Verspätungsstatistik der
Deutschen Bahn nicht berücksichtigt. Was nicht da ist, kann auch nicht
verspätet sein, klar. Von den nicht ausgefallenen Zügen kommt jeder Dritte
zu spät. Man ist geneigt zu fragen: Wirklich nur jeder Dritte?
Jeder Dortmunder zum Beispiel kennt die große Anzeigetafel in der
Vorhalle des Hauptbahnhofs, auf der schon ab vormittags quasi alle
Fernzüge, die aus Richtung Westen kommen, also das Nadelöhr Ruhrgebiet
durchfahren müssen, verspätet angezeigt werden. Eine klassische Tafel liest
sich dann so: 20 Minuten Verspätung, 40 Minuten Verspätung, fällt aus, 25
Minuten Verspätung, fällt aus, 15 Minuten Verspätung.
Nun klingen 20 Minuten Verspätung vielleicht nicht so schlimm und man
könnte entgegnen, naja, 20 Minuten verlierst du auch mit dem Auto im
Stau. Mag sein, nur kann man mögliche Umstiege damit vergessen. Genau,
das muss es sein: Die wenigen pünktlichen Züge sind leider immer die, die
man dann am Anschlussort kriegen muss – und verpasst. Sie finden das
übertrieben? Dann fragen Sie bitten jeden Bahnreisenden. Jeden.
Live dabei sein, wenn ohne Not Verspätung generiert wird
Man steht also morgens um kurz vor 6 in Oldenburg am Hauptbahnhof,
will nach Bremen fahren, um dort den Zug nach Dortmund zu nehmen.
Auf der Anzeigentafel steht: Zug entfällt. In der Bahn-App wird der Zug
natürlich als pünktlich angegeben, bis er dann kurz vor sechs plötzlich
ebenfalls entfällt, so dass man keine Chance hatte, rechtzeitig umzuplanen.
Man fragt sich dann, ob der Zug sich spontan in Luft aufgelöst hat, wenn
bis vor einer Minute offenbar niemand von der Bahn ahnte, dass es ihn
nicht geben wird. Naja, Alternative ist, mit einer Bimmelbahn, die an jeder
Milchkanne hält, nach Osnabrück zu fahren, um dort den Zug nach
Dortmund abzufangen. Die Bimmelbahn startet pünktlich. Na also. Denkt
man.
Dann merkt man, die Strecke nach Osnabrück ist eingleisig, der
Gegenverkehr muss also durchgelassen werden, indem man in Bahnhöfen
steht und wartet. Und wartet. Immer und immer wieder. So generiert man
auf der Strecke nach Osnabrück ohne Not oder höhere Gewalt 50 Minuten
Verspätung, verpasst den Anschluss nach Dortmund und freut sich auch
dort über den bereits bekannten, mitleidigen Kaffee-Dealer. Die ersten
Termine des Tages macht man dann aus der Bahn, die zwar damit wirbt,
total tolles WLAN zu haben – nur leider funktioniert dieses kaum und
abgehackt und wackelig und dann wieder gar nicht.
So oder so ähnlich ist es immer, immer wieder. Die Tage, an denen ich
pünktlich irgendwo ankam, kann ich nach einem Jahr an einer Hand
abzählen. Ich habe dann immer misstrauisch nach der versteckten Kamera
gesucht. Wir sind pünktlich? Die wollen mich doch, na egal.
Das Personal ist überfordert – und kann ja meist auch nichts für die
Situation
Ich habe genervtes Personal getroffen, dass sich bei den Fahrgästen
auskotzt über den Arbeitgeber. Ich habe erlebt, wie eine Familie mit zwei
Kleinkindern auf dem Boden sitzen musste, weil der Zug überfüllt war. Sie
hatten für viel Geld Plätze reserviert, ihr Zug fiel aus, sie mussten lange
warten und dann diesen hier nehmen und da galt ihre Reservierung nicht.
Sie saßen im Gang, andere Fahrgäste hievten ihre schweren Koffer über die
Kleinkinder drüber. Ich habe den Schaffner gefragt, ob man die Familie
nicht in die 1. Klasse versetzen könne. Nein, könne man nicht. Ich habe
auch sehr, sehr nettes Personal getroffen, das ja auch wirklich nichts für die
Umstände kann. Ich saß bei sechsstündigen Zugfahrten (vier waren
geplant) im durchgehend geschlossenen Bordbistro. Hungrig und durstig,
aber es gab nichts; kein Personal.
Ich bin in Karlsruhe gestrandet wegen Schneewetters. Sollte mir ein Hotel
nehmen, sagte der Schaffner, heute ginge nichts mehr. Stunden später war
der Schnee weg, ein Zug sollte gen Dortmund fahren. Aufgeregt checkte ich
aus dem riechenden Bahnhofshotel wieder aus und rannte zum Zug. Setzte
mich rein. Und wartete. Nach 20 Minuten die Ansage: „Ähem, wir merken
gerade, die Crew ist gar nicht in Karlsruhe angekommen, wir können doch
nicht weiterfahren.“ Ich schlich zurück in mein riechendes Hotel und bat
darum, doch wieder einchecken zu dürfen.
Drastische Beispiele, von denen es noch so viele mehr gibt. Dabei wollte ich
doch einfach nur ankommen. So ankommen, dass ich meinem Job und
meinem Leben halbwegs gerecht werden konnte. Hat nicht geklappt.
Jahre wird der noch machen, das hoffe ich. Und auch, dass die Bahn bis
dahin in Schienen, Gerät, Personal und realistische Planung investiert hat.
Vielleicht sogar in WLAN? Dann komme ich gerne zurück. Vorher geht es
einfach nicht. Es geht nicht.
Wirklich nicht. Jetzt steige ich zurück in meinen alten Diesel. Ein paar