Florian Harms
Europa setzt auf Eskalation
Solidarität mit Großbritannien. Eine unmissverständliche Antwort nach dem Anschlag auf den russischen Ex-Spion Skripal. Und nach dem Hacker-Angriff gegen deutsche Regierungs-Server. So rechtfertigt die Bundesregierung die Ausweisung von vier russischen Diplomaten. 17 weitere Staaten machen es ebenso, hier die Übersicht:
USA: 60 Ausweisungen
Ukraine: 13
Frankreich, Polen, Kanada: je 4
Litauen, Tschechien: je 3
Dänemark, Niederlande, Italien, Spanien: je 2
Estland, Lettland, Schweden, Rumänien, Finnland, Kroatien: je 1
Ein geschlossenes Signal der Stärke an Russland? Eher nicht, denn in der Liste fehlen viele europäische Staaten. Dann wenigstens eine erfolgversprechende Maßnahme, um den Kreml zum Einlenken zu bewegen? Erst recht nicht, denke ich. Der Westen und einige Verbündete heizen den Konflikt nur noch weiter an. Ich glaube kaum, dass sie Herrn Putin so dazu bewegen können, seine Politik zu ändern.
Klug erscheint mir dagegen, was Stefan Meister, Russland-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, meinem Kollegen Johannes Bebermeier sagte: "Das wird nicht dazu führen, dass Russland einlenkt. Es verhärtet die Situation weiter. Denn es stärkt die Wagenburgmentalität in Russland und damit die Position von Putin." Die Ausweisungen passten perfekt in das Bild, das Putin seinen Bürgern zeichne: von einem westlichen Feind, der das wiedererstarkte Russland partout kleinhalten wolle.
Ich frage mich aber auch dies: Wie soll es denn nach dieser Eskalation weitergehen, was geschieht als nächstes? Noch ein Cyber-Angriff? Noch schärfere Wirtschafts- und Finanzsanktionen? Gar eine militärische Konfrontation? Und das alles wegen eines Giftanschlags, der zweifellos brutal und zynisch war, aber eben auch das: bislang nicht vollständig aufgeklärt?
Stefan Meister sagt, wie ich finde, etwas Richtiges: Erst einmal sollte die britische Polizei den Kriminalfall Skripal mit allen Mitteln des Rechtsstaats aufklären – und gleichzeitig sollten die EU-Staaten stärker gegen Korruption und Geldwäsche von Russen in Großbritannien und anderen europäischen Ländern vorgehen. In kaum einer Stadt wird so viel kriminelles russisches Staatsgeld gewaschen wie in London. Weil die Gesetze dort so lax sind. "Wenn man gegen die Oligarchen und die Geldwäsche vorgeht, trifft man das Regime."
Das würde allerdings erfordern, dass die Briten und ihre europäischen Verbündeten sich an die eigene Nase fassen. Leichter ist es natürlich, mal eben Publicity-trächtig ein paar Dutzend Diplomaten nach Hause zu schicken. Aber ist das nachhaltig? Wohl kaum.
